Ein Bericht des Zeitzeugen Adolf Witte (*1919 †1996) aus dem Jahr 1996
Das erste Heimatmuseum wurde 1932 unter Leitung von Hauptlehrer Trede eröffnet.
Herr Trede kam 1931 aus dem Kreis Plön über Freidorf nach Gettorf. Im Kreis Plön war er als 1. Vorsitzender des Kreislehrervereins und der Lehrerkammer in Erscheinung getreten. Durch seine neuorientierten Grundsätze in Verbindung mit der Heimat erschienen u. a. seine Arbeitsbücher für sprachliche Formübungen, Stiftung Hohwacht, Lütjenburg in Ostholstein, das Wargerland usw. Die Norag (heute NDR) setzte ihn als Leiter der Sendung „Wanderfunk“ ein. 1931 kam Herr Trede nach Gettorf. Hier traf er mit seinem Kollegen August Seidel zusammen. Herr Seidel widmete sich schon seit der Jahrhundertwende der Heimatforschung. Es entstand eine außerordentlich fruchtbare Zusammenarbeit.
In Trede wuchs der Gedanke, die Heimat in ihrem historischen Wandel und Wachsen zu erfassen und zu zeigen. Gettorf mit St.- Jürgen als Wallfahrtsort, als Mittelpunkt vorgeschichtlicher Stätten und als Marktort für Handel, Gewerbe und Handwerk, bot hierzu die beste Gelegenheit.
Eine kleine Schar älterer Schüler sammelte sich um ihn und half, Gedankengut umzusetzen. Der Gettorfer Park, wo heute das Schützenhaus steht, war unsere „Freilichtbühne“. Anlässlich einer Aufführung wurde eine alte Tür mit 4 Beinen versehen. Ein Tisch war fertig. Steinbeile und was man noch so fand, alte kleine Gebrauchsgegenstände zeigten wir und gaben Erklärungen dazu.
Das erste Gettorfer Heimatmuseum war geboren.
Ein Klassenzimmer unserer Schule wurde nicht genutzt. Bänke, Schränke und überflüssiges Inventar wurden auf den Boden geschleppt und hier verstaut. Von überallher brachte man uns Sachen zur Bereicherung unseres Museums. Die Kinder bekamen einen Zettel mit, wer noch alte Gebrauchsgegenstände herumliegen hat, möge diese dem Museum zur Verfügung stellen. Sperrige Teile holten wir Jungen mit dem Handwagen von Sattler Dombrowski ab. Ein ganz schöner Haufen kam zusammen. So langsam bekamen wir einen Überblick zur Gestaltung des Raumes. Die Innenarchitekten, natürlich Herr Trede und wir, konnten mit der Planung beginnen. Alle Dinge sollten in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Es sollte sein, als wenn man ein Buch liest, mit Anfang und Ende.
Auch diese Aufgabe wurde gelöst, der Raum konnte renoviert werden. Sodann mussten Tische, regale, Schaukästen usw. gebaut werden, natürlich aus altem Inventar. Handwerkszeug brachten wir mit, Farbe stifteten die Malermeister. Das ging so: Alle Reste aus den Farbtöpfen wurden schön verrührt. Der Raum für unser Museum war fertigt.
Alle Exponate wurden gereinigt, geputzt, mit Beschriftung versehen und in sinnvoller Folge aufgestellt. An den Wänden hingen Zeichnungen, Darstellungen der Bodenschichten mit Zeitbestimmung, es gab ein lebendiges Bild. Unser Heimatmuseum war, wenn auch nicht vollkommen, fertigt. Die Eröffnung war am 10. September 1933. Besucher kamen und waren begeistert.
Nach dem dritten Jahre seines Bestehens wurde in der Eckernförder Zeitung, die jeden Monat die besonderen Veröffentlichungen der „Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde im Dänischen Wohld“ brachte, eine Festnummer herausgegeben. In derselben schrieb Dr. Kamphausen als Museumpfleger der Provinz so: „Das Gettorfer Museum ist das jüngste im Kreise der schleswig-holsteinischen und als solches uns lieb geworden. Schätze standen ihm nicht bereit, als es eine Stätte der Besinnung und Heimatpflege auszubauen galt. Doch gelang es, ohne Sehenswürdigkeiten, ohne besondere Attraktionen und ohne Aufwand ein lebendiges Museum zu schaffen. Die Idee und der Glaube an sie standen am Anfang und sicherten den Weg in die Zukunft und die einst mit so großem pädagogischem Geschick und mit innerer Disziplin begonnene Schau ist nun schon eine vielfältige Sammlung geworden, die ihre Wände zu sprengen droht, die weiter will…“
Durch die Lehrerschaft kam die Arbeit aus unserem kleinen Ort ins breite Volksleben. Der damalige Direktor Prof. Peters von der Kieler Hochschule schrieb dem Leiter des Heimatmuseums so: „Ich bescheinige es sehr gern, dass die Kieler Hochschule für Lehrerausbildung seit drei Jahren alle ihre Studenten regelmäßig in ihr Museum führt und das auch künftig tun wird. Wir haben an keiner anderen Stelle eine bessere Einführung in die Aufgaben der heimatkundlichen Forschung und der und der Heimaterziehung gewonnen als in Gettorf, einmal Dank dem Aufbau und Gehalt der Gettorfer Sammlungen, dann aber auch Dank Ihrer immer bereiten Einführung und Führung durch Ihre so fein aufgebaute Schule…“
Am 26.01.1934 sprach der Leiter mit vier Kindern im Rundfunk über das Museum, wodurch auch weitere Kreise aufmerksam wurden und bald Besucher aus dem ganzen Lande nach Gettorf kamen, wie einst die Wallfahrer zu der St.-Jürgen-Kapelle. Gettorfs Heimatmuseum wurde zum kulturellen Begriff. Die Besucherzahl stieg ständig.
Leider machte auch der Krieg vor unserem Museum nicht Halt. Das zum Museum umgestaltete Klassenzimmer musste geräumt werden. In Kisten verpackt wurde alles zuerst in Gettorf, dann dem Heimatverein Eckernförde übergeben und dort auf dem Boden der Sandkrugschule (TVA) eingelagert. Durch die Magazinierung in der TVA ist vieles verlorengegangen. Es wird noch heute hiervon viel geredet und vermutet, auch leider nicht immer ganz sachlich. Durch erhaltene Unterlagen konnte ich feststellen, ein großer Reil wertvoller Stücke waren Leihgaben von Museen und Privatleuten (auch die Münzsammlung).
Herr August Seidel soll bei dieser Rückbetrachtung nicht vergessen werden. Wer seine Wohnung im Küsterhaus (alte Schule) betrat, war überrascht von dem, was er in seinen langen Gettorfer Jahren zusammengetragen hatte. Eine ganz Stube war mit alten Möbeln und Gerätschaften gefüllt. Dies wurde nach seinem Tode durch seine Tochter, Frau Lange, dem Heimatverein Eckernförde überlassen und im dortigen Heimatmuseum als „Seidel-Zimmer“ gezeigt. Am Aufbau des Gettorfer Heimatmuseums war Herr Seidel nicht beteiligt. Als Leihgabe hat er etliches aus seiner Sammlung dem Heimatmuseum überlassen. Von hohem Wert ist die von Herrn Seidel herausgegebene Literatur. Seine im Kriege verfassten Aufzeichnungen „Wie Gettorf den Krieg erlebte“ (nach seinem Tod 1944 von August Jöhnk weiter geschrieben) sind für Gettorf unersetzbare Dokumente. Ich würde mir wünschen, diese würden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Im Januar 1996 entstand unter der Leitung des Heimat- und Mühlenvereins in Gettorf ein neues Heimatmuseum.
Möge dies dem Besucher unsere Heimat näherbringen, wie wir es mit unserem Heimatmuseum von 1932 erreicht haben.